Vom 19. auf den 20. September nahm das Brotgarten Team FREILAUF mit zwei 4er-Teams und drei Betreuer/innen am 24-Stunden-Rennen in Sontra-Weißenborn teil. Beide Teams standen am Ende ganz vorne (Platz 1 und Platz 3), obwohl fast alle Fahrer damit absolutes Neuland betraten. Ein 24-Stunden-Rennen stellt neben einer guten Fahrleistung vielfältige Anforderungen an ein Team. Einen kleinen Einblick erhaltet ihr durch das folgende Interview mit einigen Fahrern und den Betreuern/innen.


24-Stunden radeln?! Was treibt euch dazu an?

Michi: Naja, wenn man schon lange Rennen fährt, kann man ja auch mal etwas komplett Beklopptes machen. Trotzdem brauchte es ein wenig Überredungskunst, bis alle motiviert waren.

Markus: Ich wurde überredet. Am Anfang war ich gar nicht begeistert von der Aussicht auf eine schlaflose Nacht und eventuell schlechtes Wetter. Aber im Nachhinein war es ein tolles Team-Event und ich bin froh, dass ich mitgemacht habe.

Steve: Nachts bin ich noch nie geradelt. Außerdem wollte ich unbedingt wissen, wie der Körper auf die abwechselnden Belastungen reagiert und was dann nach der Nacht, am Morgen, noch geht. Also, insgesamt so eine Art physischer Selbsterfahrungstrip.

Lars: Auch ich musste erst einmal überredet werden, denn mein Training ist eigentlich überhaupt nicht auf diese Art Belastung ausgerichtet, wie sie ein 24h-Rennen an den Körper stellt. Letzendlich war die Vorfreude dann aber doch riesengroß und ich war sehr gespannt auf die Dauerbelastung und die Grenzerfahrungen.


Wie ist es euch denn ergangen?

Holger: Am härtesten waren die fünf Runden ab 01:30 Uhr, das spiegelte sich auch in meinen langsameren Rundenzeiten wieder. Die wärmende Sonne am Morgen hat für neuen Leistungsschub und Motivation gesorgt, ebenso die letzte Runde und das Wissen, dass es gleich geschafft sein würde.

Michi: Das ist wohl bei jedem unterschiedlich. Irgendwann kann man jedenfalls nicht mehr Denken. Das heißt, ab dann haben die Betreuer Höchstarbeit zu leisten, die allerdings selbst wenig bis gar nicht geschlafen haben.

Matze (Betreuer): Haha! In der Nacht waren die Jungs sehr lustig, haben seltsame Dinge erzählt und nichts mehr gepeilt und extrem schief geguckt. Da war es dann auch nichts mehr mit der Motivation. Nur noch Stöhnen und Ächzen.

Laila (Betreuerin): Nachts waren wir mehr gefordert als tagsüber. Fahrer wecken; Logbuch führen (wer muss wann auf die Strecke, wie lange braucht jeder für die Runden usw.);  Zwischenstand herausfinden; Essen holen bzw. kochen…


Laila, warst du darauf vorbereitet?

Mein Haupt-Informant, wie das Rennen für mich so verlaufen könnte und welchen Aufgaben ich mich dort widmen dürfte, war Steve. In einem Telefonat im Vorfeld bekam ich (O-Ton Steve) folgende Instruktionen:

Mädchen für alles; Verpflegung, (z.B. Steve braucht nach dem Radeln: Regenerations-Shake aus Sojamilch und Haferflocken und Bananen), Flaschen auffüllen; für Getränke sorgen; Aufräumen – es wird das pure Chaos; Essen holen bzw. kochen; Einzelwünschen nachkommen; pro Stunde ca. 500 kcal pro Fahrer zur Verfügung stellen (was mir erst mal als größte Herausforderung erschien und dann auch noch für jeden einzelnen mit Sonderwunsch!? Acht unterschiedliche Essen zubereiten? In einem Zelt????); und am wichtigsten: dafür sorgen, dass alle schön artig essen und auf sich acht geben!

Und dann, in der Realität?

Laila (Betreuerin): Tatsächlich habe ich mich mehr oder minder um diese Dinge gekümmert. Aber ich habe eigentlich ziemlich viel, nachdem Judith (meine größte Rettung, top organisiert und super Hilfe) und ich das Hauszelt organisiert und mit Küchenutensilien und Steckdosen bestückt haben, rumgesessen, Kaffee getrunken, den Fahrern die Süßigkeiten weg gegessen und ab und zu mal Obstteller für die Fahrer bereitet. Mit den ‚Team-Kids’ Emma und Emil konnte ich Karten zocken und Äpfel pflücken und  damit die Wartezeiten versüßen. Danke an Matze, der sich anfangs um die Fahrer-Runden-Zeiten gekümmert hat und immer den Stand der Dinge geprüft hat. So konnte ich mich noch mehr einfinden und mit Judith für „Ordnung“ sorgen. Zwischendurch saßen wir gemütlich auf Campingstühlen am Streckenrand und warteten auf unsere Radler und feuerten kräftig und laut an.

Die Nacht wurde dann etwas wilder. Oder auch träger. Ich habe im müden Kopf die Wechselzeiten der Fahrer ausgerechnet, die Fahrer zum Essen animiert, Tee und Kaffee gekocht, die Fahrer geweckt und losgeschickt und so weiter und sofort. Acht verschiedene Essen zubereiten musste ich dann natürlich doch nicht ;) Zusammenfassend saß ich gefühlt müde herum und hab Süßigkeiten gegessen und mir ab und zu einen Anraunzer abgeholt („Ich hab kein Bock mehr, ich will schlafen, ich will nichts mehr essen!“, haha…).


Wie lief denn das mit der Verpflegung?

Steve: Unser 4er-Team fuhr in etwas längeren Intervallen, d.h., ich war immer mindestens drei Runden am Stück unterwegs. Mitte der zweiten Runde gab ich mir immer selbstgemachtes Gel, was mich vor allem vor Unterzuckerung und damit vor Unkonzentriertheit und Stürzen bewahrt hat. Nach dem Rennen Haferflocken mit Sirup und Sojamilch, mal ein Brötchen und Pasta mit Olivenöl und Salz; Wasser, Schorle, Kaffee und Obst.

Michi: Man(n) muss auf jeden Fall eine ganze Menge essen, was man in der Nacht schnell vergisst. Da kommt dann wieder der Betreuer ins Spiel, der mich daran erinnern sollte. Habe alles mal getestet. Alles war quasi Brennstoff, auch mal ein Bier und ´ne Wurst.

Holger: Mein erster Weg hat mich immer zu den leckeren Schmalzbroten im Verpflegungszelt des Veranstalters geführt. Dann habe ich das Rad vom Dreck befreit, anschließend habe ich mich selbst nach jedem Einsatz geduscht und umgezogen. Nichts ist unangenehmer als bei der klamm-kalten Witterung in verschwitzten Sachen zu pausieren. Ich habe mich hauptsächlich von Iso-Getränken, Tee, Nudeln und Schmalzbroten ernährt. Ein wenig Schlaf habe ich zwischen 4:00 und 5:30 Uhr im Auto sitzend gefunden. Skihose und Daunenjacke haben dabei für kuschelige Wärme gesorgt, denn frierend gelingt Erholung kaum.


Wie haben sich die anderen erholt?

Michi: Je nachdem, wie häufig gewechselt wurde, bleibt mehr oder weniger Zeit zum ausruhen. An Schlafen war bei mir nicht zu denken.

Lars: Die Taktik unseres Teams war voll auf Angriff ausgerichtet, weshalb wir sehr kurze Stints gefahren sind, d.h. jeder Fahrer fuhr immer nur eine, maximal zwei Runden. Da ist nicht viel mit Ruhen. Die längsten Pausen dauerten ca. 90-120 Minuten. Ich bin gegen 6:00 Uhr morgens im Zelt einmal ganz leicht in so eine Art ‚Schlaf‘ getaumelt, hatte danach allerdings überhaupt keine Lust mehr, weiter zu fahren. Erst auf dem Rad war dann alles wieder gut, alles wieder normal.

Steve: Im Hellen saß ich häufig auf der Rolle, um das Laktat aus den Beinen zu bekommen. Ansonsten: rumgammeln, Dummschwatz halten. Nachts lag ich auch zweimal im Zelt, konnte aber nur etwas dösen, was wohl auch besser war, als ganz einzuschlafen.


Habt ihr die Nacht auf der Strecke gut überstanden?

Pascal: Da ich extrem nachtblind bin, war für mich schon klar, dass es eine Herausforderung wird;  trotz kleinem Sturz, alles gut überstanden.

Markus: Ich würde nächstes Mal besseres Licht mitnehmen. Mein Rennrad Licht hat für’s MTB nicht ausgereicht und hat mich nachts viel Zeit gekostet.

Steve: Die Nacht war der Hammer, wie Computer spielen. Durch die in schwaches Licht getauchte Umgebung wirkte alles sehr surreal. Dazu die geistige Vernebelung durch Müdigkeit, Mattigkeit, gepaart mit Euphorie, Adrenalin und Leistungsdruck. Gegen vier Uhr hatte ich meine beste Phase.

Lars: Eine vergessene und nicht getrunkene Cola direkt vor meinem Turn wurde mir nachts fast zum Verhängnis. Schon in der ersten meiner zwei zu fahrenden Runden machten sich kleine, bunte Flecken auf meiner Netzhaut bemerkbar. Bei mir ein typisches Symptom von Unterzucker und Vorboten eines Hungerasts. Im Steilstück des Hollstein-Trails ging ich dann in der zweiten Runde auch prompt zu Boden. Doch ich hatte Glück im Unglück. Das durch den Sturz ausgelöste Adrenalin verhalf mir, die restliche Runde doch noch im gewohnten Renntempo zu Ende zu fahren, von Unterzucker keine Spur mehr…


Vermutlich steht und fällt die Freude an so einem Event mit dem Engagement des Veranstalters. Wie bewertet ihr die Organisation?

Pascal: Ich sag nur FETTENBROT (lach). Auf jeden Fall ein großes Lob für die tolle Organisation und noch mal ein großes Dankeschön an die Unterstützung von Laila, Matthias, Eli, Judith, Emma, Emil und Christian.

Steve: Hervorragend. Bereits im Vorfeld sehr kooperativ. Wir hatten schon bei der Meldung viel Chaos gestiftet. Die Infrastruktur war absolut passend. Die Strecke war aus meiner Sicht grandios. Ich kenne andere 24-Stunden-Rennen nur aus youtube-Videos. Da habe ich aber die Rampen und Trails vermisst. Beides und noch viel mehr gab es in Sontra!


Und zum Schluss: Euer schönstes Erlebnis? Oder: Was bleibt?

Holger: Symbol des Rennens ist ganz sicher die Linde, um keinen Baum habe ich je mehr Runden gedreht, außer vielleicht mit der Blechtrommel um den Christbaum dereinst. Der Stolz, mit dem Team eine Gemeinschaftsleistung erbracht zu haben und der Wunsch es wieder zu tun. Wir wurden zuvor gewarnt, dass 24-Stunden-Rennen süchtig machen können. Da ist etwas dran, glaube ich.

Laila (Betreuerin): Mein Highlight war das Äpfelpflücken mit Emma und dass ich jetzt das gemeinste Kinderspiel der Welt kennen lernen durfte: Malefiz. Echt fies. Und Eli versuchte mir klar zu machen, dass man bei diesem Spiel einfach nur richtig gemein sein muss. Sie scheint Erfahrung zu haben und berichtete von herumgeschleuderten Spielbrettern nach einem Spiel.

Insgesamt war ich echt überrascht von dem super Ergebnis des Teams – und dann auch noch für das erste Mal. Ich habe echt enormen Respekt vor der Leistung der Jungs und freue mich, wie wacker sich alle durch die Nacht „geschlafen“ haben.

Markus: Die Runden im Sonnenaufgang. Das war ein tolles Gefühl, als man wusste, dass die Nacht jetzt vorbei ist und man das Schlimmste überstanden hat.

Steve: Meine letzte Runde, auf der ich gemeinsam mit Jochen unter tosendem Beifall der Zuschauer ein letztes Mal um die Linde kurvte. Es war toll, dass so im Prinzip beide Teams gleichzeitig ins Ziel kamen.

Michi: Das Beste war wohl der darauf folgende Morgen, als meine Kinder mich gut gelaunt fragten: „Wann ist eigentlich das nächste 24-Stunden Rennen?“ Es war sogar ein tolles Familien-Event, da Frau und Kinder im Teamlager mit gezeltet und uns tagsüber ordentlich angefeuert haben. Gerne wieder – nächstes Jahr ist schon fest eingeplant!

Fotos: Dani Seitz, Pro Cycling Breuna, privat



Eine Runde Sontra mit Michi: