Rennbericht von Steve:
Die Rennvorbereitung verlief diesmal etwas anders. Ich hatte mich entschieden, die Nacht von Freitag auf Samstag bei den Großeltern in der alten Heimat zu verbringen und dann Samstag vom Gilserberger-Hochland aus nach Saalhausen zu starten. Die Teamkollegen Pascal und Lars würden von Kassel aus separat losfahren. Wie so oft wurde meine Statur von meiner Oma einer kritischen, unfehlbaren Analyse unterzogen: „Jong, dü bäst jo so däar!“. Ja, Oma, leicht is‘ halt schnell. „Ach, Jong.“ Am Abend gab es dafür ein Rennessen mit frischem Salat aus dem Garten, das schon fast an Wettbewerbsverzerrung grenzte. Aber für ein schlechtes Gewissen war kein Platz, schließlich musste ich letzte Woche in Willingen ordentlich Zeit auf die Spitze lassen und da kämpft man dann mit allen erlaubten Mittel – ok, Selbstgekochtes von der Oma ist schon sehr nah‘ an der Grenze zum Unerlaubten, muss das mal bei der NADA checken lassen.
Obwohl das Sauerland so langsam zu meiner dritten Heimat wird, soll sich doch keine Routine einstellen. Dafür sorgen allein die unzähligen Baustellen und meine Unfähigkeit einfach mal vorher die Route genau zu checken; außerdem Unmengen an langsam fahrenden Golf Plus mit HSK-Kennzeichen. Wo kommen die bloß alle her? Aber bereits bei der Ankunft war klar, dass sich der Weg wieder gelohnt hatte. Beim Shark-Attack wird auch die Deutsche Meisterschaft im Cross-Country ausgetragen (Samstag Jugend und Sonntag Erwachsene), dementsprechend war das Flair. Ich war extra früh losgefahren und hatte so Zeit, die Fahrerlager der zahlreich vertretenen Profiteams abzulaufen und ein paar Eindrücke zu sammeln, dazu der Sound von summenden Rollen, auf denen sich die Jungs und Mädels der U19 gerade warmfuhren. Oh, herrliches Rennfahrerleben!
Und jetzt zur Sache: Die Strecke in Saalhausen geht über 59km und gut 1800 Höhenmeter (mein GPS spuckte am Ende sogar 2000Hm aus?!); Achterbahnfahren im Sauerland mit dem Unterschied, dass es (zumindest gefühlt) nie bergab geht. Mein Ziel: Kämpfen und möglichst vorne angreifen, heute ein optimistisches Anliegen in Anbetracht der ca. 150 Fahrer unter denen auch einige Granaten vertreten waren. Entsprechend intensiv ging es am ersten Berg nach ca. 2km Einrollen zur Sache. Ich versuchte hier das Hinterrad des Vorjahressiegers in meiner AK, Alexander Rebs (Focus-Rapiro-Racing), zu halten. Ich war im oberen Drittel meines oberen roten Bereichs und eine Tempoentschärfung nicht absehbar. Übersäuert wie eine Zitrone versuchte ich weiter nachzusetzen, um dann einzusehen, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich pendelte mich ca. auf Platz 10 ein und ließ eine kleine Gruppe um meinen Teamkollegen Lars aufschließen. Zu zweit fühlt es sich gleich besser an. Lars hatte ordentlich Punch und machte erstmal die Lokomotive, ich versuchte irgendwie dran zu bleiben und etwas runterzufahren, um die Schmerzen in den Beinen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Dann kamen die Rampen. Leicht ist schnell, dachte ich mir im Kampf gegen die Erdanziehung. Hoch intensiv ging es so über die ersten ca. 20km in unserer Vierergruppe weiter. Nach der ersten Verpflegungsstation, ca. bei Kilometer 20, verschärfte Christian Koethe (RSC Nievenheim) das Tempo. Ich hatte mich in weiser Voraussicht bereits nach ca. 35 Minuten mit einem ordentlichen Schuss Gel (heute aus der Trinkflasche) versorgt. Die ersten Schmerzen waren überwunden und der Körper arbeitete bald wie ein Kraftwerk. Die Lebensgeister waren zurückgekehrt. Ich heftet mich an Christian Koethes Versen, der unermüdlich Druck machte. Eine knappe Viertelstunde später hatten wir uns deutlich abgesetzt. Ich fuhr weiter am Limit und versuchte nicht aus dem Windschatten zu fliegen. An der Führungsarbeit konnte ich mich nur alibimäßig beteiligen. Irgendwann tauchte Lennard Heidenreich (RSC Hildesheim) vor uns auf, den wir bald eingesammelt hatten. Nach ca. 1:45 Fahrtzeit zog ich eine kurze Zwischenbilanz: Trinkflasche fast leer, Gel leer, Banane bereits aufgegessen, die ersten 1:30 Fahrtzeit mit einem 178 Pulsschnitt, Beine ok (Wie kann das sein?), Krämpfe: keine, Top-Ten-Kurs, Yeaaaahhhhh!
Werte der ersten 1,5 Stunden: 280 Watt Durchschnittsleistung, xPower: 313 Watt, Pulsschnitt: 178, 23km/h
Spaßeshalber fragte ich die bereits zurückgelegte Renndistanz auf meinem Garmin ab. Ich rechnete nach ca. 1:55 Fahrtzeit mit ca. 47 zurückgelegten Kilometern, dann der Schock: 40 Kilometer. Was??!! Nach diesem Höllenritt und jetzt noch ein Drittel Wegstrecke vor uns??!! Mein Selbstvertrauen bekam einen ersten Knacks. Dann kam die echte Rampe, sozusagen die Mutter der Rampen. Wo kommen die bloß aller her? Instinktiv suchte ich nach einem Streckenpfeil, der uns vielleicht um dieses Monstrum herumführen würde. Fehlanzeige. „Was ist denn das hier bloß für eine Scheiße“, war das Intelligenteste, das ich zu diesem Zeitpunkt noch von mir geben konnte. Lennard Heidenreich erwidert: „Schönes Training.“ Ok, alles klar. Blitzschnell wurde ich wieder Herr meiner Sinne und legte mir eine Taktik für die folgenden 50 Meter zurecht. Ich werden das Untier mit Worten bezwingen und mich so vom Treten ablenken. Gesagt, getan. Die Begriffe, mit denen ich das Ding beschimpfte, will ich hier nicht wiedergeben und möglicherweise dachten die beiden Fahrer vor mir, ich wollte ihnen Böses und machten sich lieber schnell aus dem Staub. Egal, ich war oben und irgendwie waren die Beine immer noch da. Nur mental ging es bergab, zudem veränderte die Strecke ab ca. Kilometer 50 komplett ihr Gesicht. Aus Rampen wurden jetzt Wurzelrampen, aus Abfahrten Wurzelabfahrten (nass) usw. Mit letzteren habe ich in der Vergangenheit ganz spezielle Erfahrungen gemacht und somit hakte ich das Rennen ca. 8 Kilometer vor Ende für mich persönlich sehr zufrieden ab. Da die Beine noch immer gingen, konnte ich den Schaden in Grenzen halten und wurde nur von zwei weiteren Fahrern, und kurz vor der letztem Abfahrt von einem heran preschenden Olaf Nützsche (Focus-Rapiro-Racing), noch eingesammelt. So wurde es am Ende Platz Platz 14 gesamt und Platz 8 in der AK. Sieger wurde Vincent Arnaud aus Frankreich (Addicitive Cycle-Tyres-Direct) vor Klaus Reinisch (Focus-Rapiro-Racing) und Henrik Hoffmann (DJH Grafschaft).
Lars hatte im Verlauf des Rennens leider Pech und musste ab Kilometer 40 mehrere Male nachpumpen. Er überquerte die Ziellinie schließlich auf Platz 12 in der AK. Pascal wagte sich erstmals an die etwas längere Renndistanz über 59km, kam gut durch und hat sein Ziel, unter den Top 100 zu landen, mit einem 87. Platz dicke gepackt. In der AK reichte es sogar für Platz 21.