Rennbericht von Steve:

Harz ist hart. Und besonders überragend war es hier für mich in der Vergangenheit nicht gelaufen. 2015 in Bad Harzburg und 2016 in Schierke beim Endurothon: jedes mal platt gefahren. Daraus zog ich die Schlussfolgerung, diesmal mit ordentlich Luftruck in den Reifen auf Nummer sicher zu gehen. Leider musste ich dann beim Warmfahren feststellen, dass die (neue) Kette nicht klar lief. Das untere Schaltröllchen flatterte ziemlich heftig. Egal. Wird schon irgendwie gehen. Lässt sich ja jetzt auch nichts daran ändern. Ein unangenehmes Gefühl blieb dennoch zurück. Wenigstens konnten wir uns heute ordentlich warmfahren, da der mitgereiste Reza – vermutlich zum allerersten mal überhaupt – morgens pünktlich am Treffpunkt gewesen war. Jetzt war sogar für zwei kurze Schwellenintervalle noch Zeit. Reza und ich hatten einige Tage vorher, am 1. Mai, bei einem gemeinsamen Strategietraining Pläne für heute gemacht: im Team in die Spitze fahren! Dafür schien der eher kleine und in der Regel nicht ganz so stark besetzte Ebersberg Marathon die richtige Wahl zu sein. Die Strecke würde wohl ordentlich Abwechslung bieten. Ca. 1400 Höhenmeter auf 42 Kilometer (je Runde 21 Kilometer), das klang verheißungsvoll. Am Start schlichen sich bei mir aber leichte Zweifel ein. Hatten sich doch einige Raketen hier eingereiht. Ich quetschte mich noch irgendwie neben meinen Mitstreiter Lars, um einigermaßen weit vorne zu stehen und drei Minuten später rollerten wir in einer hektischen Startphase auf Schotter durch die Harzer Felder. Schlecht vom Start weg gekommen, konnte ich mich am ersten kürzeren Anstieg an ca. acht Fahrern vorbeischieben und mich irgendwo unter den ersten Zwölf einreihen. Nach einer kurzen Verschnaufpause fuhren wir in die erste Rampe, wo mich der glitschige Untergrund zum Absteigen zwang. Die kurze Joggingeinlage hob die Herzfrequenz noch einmal um fünf Schläge, auf 188, an. Hurra, endlich wieder am Limit. Es ging aber noch weiter, bis ein längerer, holpriger Wiesenanstieg, gefolgt von einem Trailanstieg, endlich die Hektik beendete. Auf der Pulsuhr stand da 190. Dann kehrte endlich Ruhe ein, und eine Startphase war wieder einmal überstanden. Kurz die Lage checken: zu meiner Freude war Reza direkt hinter mir, gefolgt von Marco Häntschel (r2-bike). Ca. zehn Sekunden vor uns die Spitzengruppe aus sechs starken Fahrern, die mächtig Druck machten. Lieber jetzt direkt aufschließen und weitere Körner opfern oder erstmal in einen Rhythmus finden? Das war die Frage, die ich einem extrem motivierten Reza gar nicht erst stellen brauchte. Der wäre am liebsten im Vollsprint aufgeschlossen. Ich entschied mich, das Treiben mit etwas Abstand von hinten anzugucken und konnte Reza überreden cool zu bleiben. So sparten wir Kräfte, besonders in den flachen Passagen, indem wir, wie besprochen, jede Minute die Führung wechselten, während sich die Jungs vor uns aufreiben mussten. Nach ca. 12 Kilometern waren wir an ihnen dran! An der nächsten wirklich brutalen Rampe (so etwas hatte ich bisher nur aus Saalhausen gekannt) stürmte Reza nach vorne. Trittfrequenz: ca. 45, Kraft: unermesslich. Ich kurbelte hinterher und wünschte mir mein Stadtrad mit 24-Gang Deore-Schaltung herbei. Wenigsten hatte ich im Unterschied zu meinem iranischen Kollegen vorne zwei Kettenblätter. Endlich oben, hatten wir tatsächlich gute fünf Sekunden herausgequält. Diesmal packte mich der Ehrgeiz und die Beine waren sogar noch bereit für ein ordentliches Tempointervall in der Ebene. Reza hängte sich ran. Ich übernahm für die nächsten Kilometer die Führung. Als wir wenig später in einem Affenzahn auf die zweite Runde gingen, tauchten sogar die beiden Führenden, Max Feger (Focus RAPIRO Racing) und Markus Sölter (NRT PROTECTIVE), zu denen wir zwischendurch hin und wieder Sichtkontakt gehabt hatten, nur eine knappe Minute entfernt vor uns auf. Das machte Reza ganz nervös und direkt ballerte er wieder im Stehen in jeden Anstieg rein. Ich quälte mich hinterher und hatte noch genug Saft übrig, um die Führung jeweils nach der Hälfte der Anstiege zu übernehmen. So motivierten wir uns bergauf gegenseitig und profitierten weiterhin in der Ebene vom Windschatten. Nach hinten war weit und breit nichts mehr zu sehen. Ich schätzte, dass wir gute zwei Minuten auf die Verfolger herausgefahren haben mussten und versuchte, mich gegen Ende des Rennens noch stärkere auf den richtigen Rhythmus zu konzentrieren. Langsam meldeten sich die Beine und ein Hungergefühl kam auf. Kein gutes Zeichen. Und die Harzer Berge schienen kein Ende zu nehmen. Irgendwann ertönte dann der Gong. Ca. 15 Minuten vor dem Ende wünschte ich Reza eine gute Reise. Der Akku war leer. Kein Ding. Sehr zufrieden registrierte ich, dass ich mich auch in eineinhalb Stunden noch absolut leer fahren kann. Ich wollte aber den 4. Platz halten und teilte die letzten Reserven mit Bedacht ein. Das klappte. Mit wenigen Sekunden Vorsprung zu meinen Verfolgern kam ich nach gut 1:55 Stunden rein. Reza hatte sogar Markus Sölter noch kurz vor dem Ziel abfangen können und belegte am Ende den zweiten Rang, hinter Max Feger. Ebenfalls unter den Top Ten erreichte Teamkollege Lars nur vier Minuten später auf dem 9. Platz den Sportplatz in Hohegeiß.

Steve


Ergebnisse:

Mittelstrecke (42 km)

Mohammadreza Entezarioon: 2. AK / 2. Gesamt
Steve Werner: 4. AK / 4. Gesamt
Lars Riehl: 2. AK / 9. Gesamt