Rennbericht von Steve:

„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat den schönsten Marathon im Kasseler Land? Und wo wir gerade dabei sind: Was zum Lenker muss man anstellen, um hier am Ende die dicken Erdbeeren zu ernten?

Es gibt mindestens drei Dinge, die den Marathon in Zierenberg neben dem Kellerwald-Bike-Marathon zu meinem Lieblingsrennen machen. Erstens ist der zentral gelegene Start-Ziel-Bereich auf dem Marktplatz in Zierenberg ein Garant für eine super Stimmung und eine Atmosphäre, die ihres Gleichen sucht. Nur sehr selten wird man nach einem harten Rennen mit so viel Publikumslärm empfangen wie hier. Zweitens der Start: mein absoluter Lieblingsstart aufgrund der Beschaffenheit der ersten Kilometer, aber dazu gleich mehr. Drittens die Organisation insgesamt: ein Verfahren ist praktisch ausgeschlossen, wofür neben einer zielführenden Beschilderung zahlreiche Streckenposten sorgen und das für ein Startgeld, das weit unter dem üblichen Durchschnitt liegt. Die Aufzählungen ließen sich fortsetzen, aber nun zu den Erdbeeren:

Grundsätzlich kannst du in Zierenberg mit ordentlich Konkurrenz rechnen. Die Strecke ist verdammt schnell und abwechslungsreich, an Spannung wird es also nicht mangeln. Auch in diesem Jahr fanden sich wieder einige starke Fahrer am Start ein, die sich das nicht entgehen lassen wollte. Wie ca. 230 weitere Fahrer(innen) der insgesamt über 500 Teilnehmer(innen) entschied ich mich für die Mitteldistanz (53km, 1200hm). Wie schon in den letzten Rennen hatte ich vor, nach dem Start vorne dran zu bleiben und zu versuchen, endlich mit der Spitze mitzuhalten. Die ersten Kilometer boten hierfür eine gute Gelegenheit. Der folgende Absatz enthält Trainingskram, also ggf. einfach überspringen:

Schon Anfang Juli hat sich herausgestellt, dass die Muskulatur so langsam beginnt, der Entwicklung meines Herz-Kreislauf-Systems hinterherzuhinken – deutlich niedrigerer Puls bei gleicher Leistung etc… Da ich keine 5 Stunden, sondern in der Regel maximal 3,5 Stunden Rennen fahre, korrigierte ich erstmal auf Basis eines Leistungstests meine Trainingsbereiche nach oben und entschied mich auch, die Umfänge zugunsten der Intensität herabzusetzen. In anderen Worten: etwas härter, aber dafür kürzer, also eine Reduzierung des Radtrainings von ca. 10 auf 8 Wochenstunden. Die letzten Rennen haben gezeigt, dass am Start grundsätzlich sehr hart gefahren wird. Vermutlich ist das aber eher subjektiv, da ich nach gerade einmal 2,5 Jahren Radfahren (inkl. langer Verletzungspause) über einen relativ kleinen „Motor“ verfüge und somit zu Beginn wirklich am absoluten Limit fahre muss, bis sich das Tempo beginnt einzupendeln. Ich setzte auf Intervalle im VO2max- und im anaeroben-Bereich und baute gezielt Schlüsseleinheiten ein, bei denen ich die Schwelle von oben nach unten kreuzte (also von AC oder VO2max zur Laktatschwelle hin), um nach den harten Starts möglichst schnell in den Rhythmus an der Schwelle zu finden. Soweit die Theorie…

Der Rennbeginn in Zierenberg kann dich so richtig schön kaputt machen. Nach einer kurzen Fahrt aus dem Ort heraus geht es auf Teer in den Berg, dann ein Übergang in einen Wiesenweg, der steiler ist als er scheint und ordentlich Kräfte zehrt. Wieder auf Teer unterquerst du eine Autobahnbrücke und fährst dann in eine heftige Rampe. Bis zur Rampe konnte ich mich hinter den Favoriten ca. auf Platz 6 einordnen. Lars Messerschmidt (MTB11.de) langte nun hin und ich setzte nach und kam auf Platz 2 aus der Rampe hinaus auf einen beinahe flachen Waldweg. Weitere MTB11-Fahrer und Max Feger (Focus-Rapiro-Racing) schlossen auf und ich versuchte etwas vom Windschatten zu profitieren, wobei das Tempo für mich zu hoch war, um vor dem folgenden Trail hinauf zur Spitze des Bärenberg ausreichend zu regenerieren, was eigentlich mein Plan gewesen war. Somit musste ich (mal wieder) reißen lassen, wobei auf dem Trail noch zwei weitere Fahrer vorbeigehen konnten.

Also, wieder das alte Lied…die undankbare Position zwischen Spitze und Verfolgern, die langsam aufschlossen. Die Strecke besteht nach der ersten längeren Abfahrt bis zur Streckenteilung (ca. bei Kilometer 30) aus kleineren „Huppeln“ (ca. 100hm), Flachpassagen und Trails. Also, die Wellen platt bügeln und weiter mit Speed auf den Flachpassagen. Hier kommt Rennatmosphäre auf.

Mit der Zeit konnten zwei Fahrer um meinen Teamkollegen Lars aufschließen und ich blieb bei meiner ursprünglichen Planung, wenn nötig, kurz vor der Streckenteilung anzugreifen, bevor es in die längeren Anstiege auf der Zusatzschleife geht. Im Nachhinein ein saublöde Entscheidung, da nur Lars zurück blieb, der kurz vor der Teilung eine kleine Roulade drehte und dabei seinen vorderen Mantel verlor. Mit den zwei Jungs im Schlepptau, die ordentlich lutschten, fuhren wir in den ersten längeren Anstieg, dessen Steigungsprozente mir entgegenzukommen schienen. Also, erneuter Angriff: ich ließ mich zurückfallen, scherte aus und ging mit Tempo vorbei. Das stellte sich im Nachhinein ebenfalls als eine saublöde Entscheidung heraus, da ich die Sache nicht konsequent zu Ende gebracht hatte. Die beiden fuhren fröhlich in meinem Windschatten weiter (Ich notierte ins Logbuch: „Junge, wenn du wegfahren willst, dann quäle dich gefälligst und ziehe es auch durch. Waschlappen!“). Und prompt bekam ich die Quittung für meinen zaghaften Antritt. Beide Verfolger zogen im nächsten steileren Trail weg und ich hatte das Nachsehen (das bedeutete am Ende Platz 10 insgesamt und Platz 4 in der AK). Na super, soviel zur Praxis. Vielleicht suche ich mal nach einem Mentalcoach, der mir beibringt, die fiesen Schmerzen am Berg einfach zu ignorieren. So etwas wie: „Du trägst einen kleinen, blauen Rucksack auf dem Rücken. Darin sperrst du jetzt einfach mal die bösen Schmerzen ein.“

Über die Weiterfahrt gibt es weiterhin nicht viel Spannendes zu berichten, außer, dass es natürlich unglaublichen Spaß gemacht hat, bei diesem tollen Wetter die letzten 15 Kilometer auf einem wunderbaren Kurs zurückzulegen. Schotteranstiege, Wiesenabfahrten, Wurzel- und Steintrails, Softtrails und dann die Auffahrt hinauf zum prall gefüllten Marktplatz und alles Leid und alle Fehlentscheidungen lösten sich plötzlich in Luft auf. Genau aus diesem Grund machen wir diesen ganzen Quatsch hier.

Steve



Rennbericht von Lars:

Mein Rennen ist eigentlich schnell erzählt:

Der Start lief gut, die Spitzengruppe, inklusive meinem Teamkollegen Steve, war weg. Auf dem Anstieg hoch zum Bärenberg und auch vom Bärenberg herunter hatte ich zwei Fahrer im Schlepptau.

Irgendwann liefen wir auf meinen Teamkollegen auf und fuhren zu viert weiter. Vor dem kleinen, kurzen Anstieg vor der Streckteilung sagte Steve zu mir: „Hier gebe ich gleich Gas.“ Ich erwiderte nur: „Ich nicht!“

Steve fuhr davon, unsere beiden Kontrahenten gingen mit und schon war ich allein.  Und irgendwie freute mich das sogar etwas, denn jetzt hatte ich endlich Ruhe und konnte meinen eigenen Rhythmus fahren.

In dem darauf folgenden Trail, in einer steilen bergab Links (direkt vor der Streckenteilung), platzt mir dann urplötzlich bei ca. 30 km/h der Reifen von der Vorderradfelge. Einfach so, ohne irgendwelche Steine, ohne ein Loch im Mantel ….

BANG!!!!

….. wow – das war er also – mein erster richtiger Abflug in einem Rennen. So richtig echt, mit Überschlag, mit Schürfwunden, mit Prellungen und mit Schmerzen und so. Dann hab ich jetzt diese Premiere wenigstens auch endlich hinter mir.

Nach einer kurzen Phase der völligen Orientierungslosigkeit, gefolgt von akuter Resignation, (re-)animierten mich die beiden Streckenposten zur Reparatur und zum Weiterfahren. Vielen Dank noch einmal dafür!

Am Ende blieb mir dann nur noch die Holzmedaille in der Altersklasse und ein 21. Platz Gesamt.

Abgesehen von der geprellten Schulter, den geprellten Rippen und einigen kleineren Abschürfungen scheint die Judo-Rolle wenigstens noch immer verinnerlicht.

 

Lars


Ergebnisse:

Steve – 4. Platz AK / 10. Gesamt (Mitteldistanz)

Lars – 4. Platz AK / 21. Gesamt (Mitteldistanz)

Pascal – 8. Platz AK / 23. Gesamt (Kurzdistanz)

Markus – 30. Platz AK (Mitteldistanz)



Vielen Dank an Kristinas Radsport-Fotos für die Fotos :)